Die beiden 17-Jährigen, Lukas und Felix, stellen nach einem ausgedehnten Lokalbesuch fest, dass sie über kein Bargeld mehr verfügen. Sie beschließen daher gemeinsam, den ersten Passanten, der ihnen begegnet und als Opfer geeignet erscheint, zu überfallen und zu berauben. Kurze Zeit nach diesem Entschluss treffen sie in einer dunklen Seitengasse auf einen älteren Mann, der offensichtlich stark alkoholisiert auf dem Weg nach Hause ist. Die beiden versetzen ihrem Opfer mehrere Faustschläge ins Gesicht und fordern mit den Worten „Gib dein Geld heraus, aber alles, oder wir bringen dich um!“ Bargeld. Sie erhalten 30,– Euro. Das Opfer erleidet einen Nasenbeinbruch.
Die beiden Täter werden unmittelbar nach dem Überfall aufgrund einer recht treffenden Personenbeschreibung festgenommen.
Diese Festnahme erfolgt durch die Polizei. Lukas und Felix werden zur Polizeiinspektion gebracht. Dort werden ihre persönlichen Daten überprüft, eine Strafregisterauskunft beigeschafft und eine erste Befragung durchgeführt. Nachdem das Opfer im Krankenhaus verarztet wurde, kommt es zu einer Gegenüberstellung, bei der die Täter identifiziert werden.
Aus der Strafregisterauskunft erfährt man, dass Lukas bereits zwei Mal einschlägig vorbestraft, Felix dagegen noch unbescholten ist. Lukas gibt den Sachverhalt nicht zu. Vor der Vernehmung haben die beiden Jugendlichen das Recht, eine Vertrauensperson anzurufen, die bei der Einvernahme dabei sein kann. Das können der gesetzliche Vertreter, ein Erziehungsberechtigter – also in der Regel ein Elternteil -, ein Angehöriger, ein Lehrer, ein Erzieher oder ein Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers, der Jugendgerichtshilfe oder der Bewährungshilfe sein. Wer verdächtig ist, an der Straftat beteiligt gewesen zu sein oder von wem eine Beeinflussung ausgehen könnte, darf nicht anwesend sein. Lukas verzichtet auf dieses Recht, Felix möchte, dass sein Vater kommt, seine Vernehmung wird daher bis zu dessen Eintreffen aufgeschoben. Felix gibt den Sachverhalt zu.
Die beiden werden dann durch die Polizisten noch erkennungsdienstlich behandelt. Das bedeutet, dass von ihnen Fingerabdrücke und Speichelproben (DNA) entnommen und die Daten gespeichert werden. Die Kriminalpolizei verständigt dann den Staatsanwalt, um abzuklären, ob Haftgründe vorliegen. Aufgrund der beiden einschlägigen Vorstrafen liegt bei Lukas der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr vor, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass er in Freiheit neuerlich solche oder vielleicht noch schlimmere Straftaten begehen wird. Weitere Haftgründe, die bei Lukas aber nicht gegeben sind, wären die Fluchtgefahr sowie die Verdunklungsgefahr. Bei Felix, der bisher mit dem Gesetz noch nicht in Konflikt gekommen ist, liegt kein Haftgrund vor. Er darf daher nach Hause gehen, während Lukas in die Justizanstalt gebracht wird.
Dort verhängt der Richter nach einer neuerlichen Vernehmung die Untersuchungshaft. Diese darf vorerst nur 14 Tage dauern und muss dann in einer Haftverhandlung überprüft werden. Die Untersuchungshaft, ist in einer gesonderten Abteilung der Justizanstalt zu vollziehen, damit kein Kontakt zu erwachsenen Straftätern, entsteht. Felix, der nicht eingesperrt wurde, bekommt einen vorläufigen Bewährungshelfer bis zur Hauptverhandlung. Dazu ist nur die Zustimmung des Beschuldigten – nicht auch die des gesetzlichen Vertreters! – erforderlich. In manchen Fällen kann die Untersuchungshaft auch durch elektronisch überwachten Hausarrest ersetzt werden. Die Ermittlungen werden durch die Kriminalpolizei unter Leitung der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Dabei werden die beteiligten Personen (Beschuldigte, Zeugen, Opfer) einvernommen, Verletzungsanzeigen, Lichtbilder, ein Personalblatt (enthält die persönlichen Daten des Beschuldigten) sowie eine Strafregisterauskunft eingeholt bzw. angefertigt. Danach verfasst die Kriminalpolizei einen Bericht an die Staatsanwaltschaft. Diese wartet noch ein Gutachten über die Verletzungen des Opfers ab und prüft dann, ob mit sofortiger Einstellung, Diversion (kein Strafverfahren vor Gericht, stattdessen z.B. gemeinnützige Arbeiten) oder Anklage vorzugehen ist.
Gegen Felix und Lukas bringt die Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen des Verbrechens des Raubes ein. Das Verbrechen des Raubes ist bei jugendlichen Angeklagten mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bedroht. Diese Anklage wird den beiden Jugendlichen, ihren gesetzlichen Vertretern sowie den Verteidigern zugestellt. Dann kommt es zur Hauptverhandlung bei Gericht. An dieser nehmen ein Berufsrichter sowie zwei Schöffen (das sind ehrenamtliche Richter, auch Laienrichter genannt), der Staatsanwalt, die Angeklagten, ihre gesetzlichen Vertreter, die Verteidiger, die bestellten Bewährungshelfer, Zeugen, der Sachverständige sowie ein Privatbeteiligtenvertreter (für das Opfer der Opferanwalt) teil. Lukas, der in Untersuchungshaft ist, wird aus der Justizanstalt vorgeführt, Felix kommt selbst.
Zu Beginn der Verhandlung werden die persönlichen Daten der Beschuldigten erörtert. Dann folgt die Beeidigung der Schöffen, die sich dabei verpflichten, nach bestem Wissen und Gewissen objektiv zu urteilen. Danach wird durch den Staatsanwalt die Anklage vorgetragen und es folgt die Erwiderung durch die beiden Verteidiger. Anschließend werden die beiden Beschuldigten gefragt, wie sie zu den Vorwürfen stehen. Lukas gibt den Raub nicht zu, Felix ist geständig. Nachdem beide Beschuldigte durch den Vorsitzenden eingehend zur Sache befragt wurden, dürfen auch alle anderen Personen Fragen stellen
. Nach den Beschuldigten wird der Zeuge vernommen, der die Wahrheit sagen muss. Der medizinische Sachverständige erklärt sein Gutachten und antwortet auf Fragen des Gerichtes. Danach liest der Richter die wesentlichen Teile des Aktes und die Jugenderhebungen vor. Aus den Jugenderhebungen ergeben sich die Lebens- und Familienverhältnisse von Lukas und Felix. Auch der Bewährungshelfer von Felix gibt eine Stellungnahme ab.
Wenn alles besprochen worden ist, folgen die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigern. Der für das Opfer anwesende Privatbeteiligtenvertreter beantragt Schadenersatz oder fordert Schmerzensgeld. Danach dürfen auch Lukas und Felix noch Schlussworte sagen.
Nun beraten Berufsrichter und Schöffen in einem eigenen Zimmer über das Urteil. Steht dieses fest, wird es im Verhandlungssaal durch den Vorsitzenden verkündet. Dagegen gibt es dann noch die Möglichkeit eines Rechtsmittels, wenn die Beschuldigten damit nicht einverstanden sind.
Dr. Brigitte Loderbauer
Leiterin der Staatsanwaltschaft Innsbruck